Aceh, Indonesien – Gedanken zur Islamischen Kultur

In diesem Blogbeitrag möchte ich etwas vom üblichen Schema abweichen. Nachdem wir nun in einigen Ländern in Südostasien in Kontakt mit der islamischen Kultur und Religion gekommen sind, hat mich das im Zusammenhang mit der momentanen politischen Diskussion in der Schweiz aber auch im Rest von Europa, speziell zum Thema Kopftuch und Burka, dazu angeregt mich vertieft mit diesem Thema zu befassen.Bereits zu Beginn unserer Südostasienreise in Singapur sind wir kurz mit der Gruppe der ethnischen Malay, die Muslime sind in Kontakt gekommen. Da wir aber nur kurz in Singapur geblieben sind und dann gleich nach Vietnam weitergereist sind, habe ich mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht allzu viele Gedanken gemacht.

Nach den wir durch Vietnam, Kambodscha und Thailand gereist sind, hören wir in der südlichsten Provinzen von Thailand wiederum von der Gruppe der ethnischen Malay. Wir entscheiden uns die Region mit dem Flugzeug zu umgehen, da der Konflikt zwischen der thailändischen Regierung und den Malay noch nicht gelöst werden konnte.

In Malaysia treffen wir wiederum auf eine sehr ähnliche Situation wie in Singapur wo die drei verschiedenen ethnischen Gruppen der Malay, Chinesen und Inder zwar getrennt aber friedlich nebeneinander leben. Hier fällt es mir zum ersten Mal auf, dass vor allem in den malaysischen Stadtvierteln die Frauen ein Kopftuch tragen. Auch an einer Modeschau in Kuala Lumpur die wir besuchen, wird Mode mit und ohne Kopftuch gezeigt. In Kuala Lumpur sind viele der jungen Kopftuchträgerinnen sehr modisch gekleidet und bewegen sich auch in Gruppen zusammen mit Männern aber auch Frauen ohne Kopftuch.

Diese Erfahrungen wollen nicht so recht in mein bisheriges Weltbild passen, dass ich mir von Frauen mit Kopftuch gemacht habe und das durch meine bisherigen (wenigen) Kontakte mit Kopftuchträgerinnen in Europa geprägt ist, sowie vor Allem auch durch die politischen Diskussionen in der Schweiz zum Thema Kopftuch, Burka und Verbote dieser.

Ich beginne mich also mit dem Thema auseinander zu setzen und lerne als erstes, dass der Koran für muslimische Frauen einen “hijab” vorsieht. “Hijab” wird häufig mit “Schleier” oder “Vorhang” übersetzt. In seiner allgemeineren Bedeutung heisst das Wort aber einfach nur “bedecken”, kann also alles mögliche bedeuten zwischen Feigenblatt und Burka.

Als wir die nationale Moschee von Malaysia in Kuala Lumpur besuchen, kommen wir ins Gespräch mit einem Freiwilligen, der uns den Islam näher erklärt. Ich frage ihn nach dem Hijab-Gebot und er erklärt mir, dass es eine durch Gott auferlegt Pflicht ist Hijab zu tragen. Dagegen kann ich nicht wirklich argumentieren.

Wir möchten weiter reisen nach Pulau Weh in Indonesien und lernen, dass Pulau Weh in der Provinz Aceh liegt. Das Sultanat von Aceh war im 13. Jahrhundert der Ausgangspunkt für die Ausbreitung des Islams in Indonesien und Südostasien. Heute noch hat Aceh eine fast rein muslimische Bevölkerung. Bereits kurz nach der Gründung Indonesiens beginnt die “Bewegung Freies Aceh (GAM)” für ein unabhängiges Aceh zu kämpfen. Der Konflikt kommt zum Stillstand nach dem verheerenden Erdbeben und dem darauffolgenden Tsunami von 2004, der die Westküste Acehs und die Hauptstadt Banda Aceh sehr hart trifft. Im Zug dieses Konflikts erlaubt die indonesische Regierung der Provinz Aceh die Einführung des Sharia-Familien- und Strafrechts für ganz Aceh. Wir fragen uns deshalb ob es eine gute Idee ist nach Pulau Weg zu fahren. Wir entscheiden uns dann aber doch zu fahren und uns an alle Regeln zu halten. So ist der Alkoholkonsum komplett verboten und Frauen und Männer sollten sich sittsam kleiden (zum Beispiel kein Bikini im Dorf). Als wir auf Pulau Weh ankommen, stellt sich heraus dass das alles nicht ganz so strikt umgesetzt wird. Obwohl das Kopftuch für Mädchen Teil der Schuluniform ist, wird es zu Hause schnell mal in die Ecke geschmissen. Es hat auch einen beachtlichen Anteil Frauen dies sich entscheiden kein Kopftuch zu tragen. Und in der halbprivaten Atmosphäre der Tauchschule oder einer kleinen Bar bekommt man auch ein kühles Bier.

Im Gegensatz dazu kommt mir die momentane europaweite und schweizer Diskussion zum Hijab in den Sinn. So gibt es nach längerer öffentlicher Debatte nun seit wenigen Jahren einen Bundesgerichtsentscheid, dass es Lehrerinnen verboten ist ein Kopftuch zu tragen im Unterricht, Schülerinnen hingegen soll es erlaubt sein. Mit der Begründung, dass Lehrerinnen eine neutrale Position bezüglich Religionen vermitteln sollten, die Religion jedoch Privatsache der Schülerin ist. Nach diesem Entscheid hat sich die öffentliche Debatte weg vom Kopftuch und hin zu Burka und Niqab (also dem Ganzkörperschleier der auch das Gesicht und im Fall der Burka auch die Augen bedeckt) bewegt. Die meistgehörten Motive für ein Verbot sind, dass die komplette Verhüllung des Gesichts nicht “unserer Kultur” entspricht und dass das die Unterdrückung dieser Frauen fördere. Als Gegenargument gegen ein mögliches Verbot wird häufig die Religionsfreiheit der Trägerinnen angeführt.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf versuche ich nun zu verstehen, wieso man als Frau den Hijab tragen möchte (Kopftuch, Niqab oder Burka) ohne dazu gezwungen zu werden. Wie muss ich mir das vorstellen wenn man in einer Kultur aufwächst, in der das Tragen des Kopftuches als normal und alltäglich empfunden wird? Ich versuche mir das in etwa so vorzustellen. In unserer Kultur und damit in der Schweiz ist es normal wenn eine Frau ihre Brüste bedeckt hält. Es gibt dafür nicht wirklich ein Gesetz und trotzdem ist es ein starkes kulturelles Gebot. Objektiv macht das aber nicht wirklich Sinn, denn was ist anders an Frauenbrüsten als an Männerbrüsten? Wieso muss die Frauenbrust versteckt werden, die Männerbrust aber nicht? Die gleiche Selbstverständlichkeit gegenüber einem uns eher unverständlichen Gebot wie dem Tragen des Hijab scheint in Aceh zu herrschen. Ohne Hijab ist eine Frau einfach nicht korrekt gekleidet.

Es gibt noch weitere mögliche Gründe für eine Muslimin den Hijab zu tragen. Zum Beispiel um explizit ihre Zugehörigkeit zum islamischen Glauben auszudrücken – etwa so ähnlich wie ein gläubiger Christ ein goldenes Kreuz als Anhänger tragen würde. Oder auch einfach als ein modisches Accessoir.

Mit diesem Blogpost möchte ich nicht darüber urteilen ob das Tragen des Hijab – ob nun Kopftuch oder Burka – gut oder schlecht ist, oder erlaubt oder verboten sein sollte. Ich versuchen bloss zu ergründen, aus was für Gründen man als selbständige und selbstbestimmte Frau sich dazu entschliessen könnte, den Hijab zu tragen.


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